Wenn Pilze keine Champignons sind
Noch nie habe ich lieber tristes Grau vor mir gesehen als heute. Denn heute erreicht eine kleine Odyssee ihren vorläufigen Höhepunkt.
Angefangen hat diese kurz vor Weihnachten, als ich zufällig etwas in der Spalte neben meinem Kleiderschrank erblickte. Gelbe Flecken auf der weißen Raufasertapete. Augenblicklich ertönen in meinem Kopf die Alarmsirenen. Denn als ich vor rund vier Jahren in diese Wohnung einzog, gab es exakt in dieser Ecke der Wohnung ein übles Schimmelproblem.
Damals war Wasser durch ein kaputtes Rohr in die Wand gelaufen. Die vorigen Mieter hatten sich aber scheinbar nicht wirklich an dem Umstand gestört. Erst mit meinem Einzug kam die Beseitigung des unerwünschten Pilzbefalls in Gang – und dauerte insgesamt mehrere Monate. Nachdem ein Trocknungsgerät die Feuchtigkeit nur ungenügend aus der Wand zog (der Experte meinte gar, das Gerät verstopfe vielmehr die Poren und sei damit kontraproduktiv), wurden härtere Maßnahmen ergriffen: Tapete ab, Putz ab, Löcher für mehrere Infrarotstäbe in der einen Wand gebohrt und mit den Lockenwickler-ähnlichen Star Wars-Schwertern bestückt. Die Wände der betroffenen Ecke sind unterschiedlich dick. Während die eine Seite mit den Stäben behandelt werden konnte, kam bei der anderen eine Infrarotlampe zum Einsatz. So hatte ich jeden Tag kuschelige 30 Grad in meinem Schlafzimmer. Die ununterbrochene Rotlicht-Beleuchtung war ebenfalls ein Highlight dieser Zeit.
Die Rotlicht-Beleuchtung fand ein Ende
Nach vielen Wochen Geduld ergab der Feuchtigkeitsmesser endlich Normalwerte und meine erste Schimmelpilz-Erfahrung in den eigenen vier Wänden nahm ein Ende. Die Wand wurde frisch verputzt und tapeziert und am Geburtstag danach zog der gewünschte Traumschrank ins Schlafzimmer ein.
Wie das Intro vermuten lässt, sollte sich das Schimmelschicksal wiederholen. Vorab: Diesmal war der Pilzbefall zwar weitaus harmloser. Doch wie war’s passiert? Der von meinem Vermieter bestellte Fachmann schien eine wahre Freude an meinem Fall zu haben. Regelrecht frohlockend inspizierte er die Gegebenheiten und sammelte einen begünstigenden Pro-Schimmel-Punkt nach dem anderen. Eine Auswahl: 1. Bei der Ecke handelt es sich um den kältesten Wandteil der Wohnung. An sie grenzt kein anderes Haus. Das Fachjargon nennt das „Wärmebrücke“, über diese gelangt Wärme zu kalten Bereichen. Bei mir also vom warmen Schlafzimmer raus ins Kalte. 2. Laminat begünstigt Schimmel, da unter dem Boden Luft steht und nicht zirkuliert. 3. Der geschlossene Traumschrank ist zum einen deutlich wärmer als die Außenwand und zum anderen schlecht belüftet. 4. Die Kellerdecke ist nicht gedämmt. 5. Raufasertapete: Sie bietet optimale Nahrung für den unerwünschten Pilz.
„Ecke“ bedeutet für den Schimmel also alles andere als (Achtung, kommt flach) ein Foul, sondern vielmehr leichtes Spiel. Das rieb er mir auch auf die Nase und vor allem auf die Hosen. Erschrocken stellte ich fest, dass einige meiner Beinkleider im Schrank komplett von weißem Schimmel überzogen waren. Und auch auf dem Schrank selbst waren weiße Flecken. Da sah ich mich kurzzeitig bereits auf Immobilienscout wieder. Doch so leicht gebe ich meine geliebte Traumwohnung nicht auf. Zumal es eine schier einfache Lösung gab: Der Schrank musste weg – auf die andere Seite. Das Bett käme im Gegenzug an die Wand mit der kalten Ecke, denn im Gegensatz zum großen Schrank kann die Luft so deutlich besser zirkulieren. Was ist die logische Schlussfolgerung, wenn Schrank und Bett die Plätze tauschen müssen? Genau – der Schrank muss bewegt werden. Und das geht leider so gar nicht mit zig Klamottenhaufen darin. Es war der Anfang vom Chaos. Rund zwei Wochen bestand mein Schlafzimmer aus verrückten Möbeln, Kisten und Kleiderhaufen. Auf Anraten des Fachmanns besorgte ich mir einen Mundschutz, Spiritus und Wasserstoffperoxid (ja genau, das zum Haare blondieren). Mit jedem Mittel sollte ich den Schrank jeweils dreimal einreiben. Das erledigte ich akribisch und unter großer Sorge, meine Haarfarbe zu verlieren…
Goodbye Schimmel, welcome Silikat
Es folgte der von mir sehnlichst erwartete Termin mit dem bestellten Maler, der zum einen die Tapete entfernen sollte. Während der Schimmel im ersten Fall beim Einzug auch in tieferen Schichten steckte, konnte ich diesmal erleichtert aufatmen. Nur die Tapete war oberflächlich befallen gewesen. Das heißt: Es waren keine aufwändigen Trocknungsmaßnahmen erforderlich. In drei Schritten an drei Tagen rettete der Mann mein Schlafzimmer – zumindest dessen Wand. Zunächst wurde die Tapete abgenommen und grundiert, dann gespachtelt und anschließend gestrichen. Mit sogenannter Silikatfarbe, auch Mineralfarbe genannt. Das hat zum einen den Effekt, dass meine Wand jetzt in dezentem Grau erstrahlt. Und der weitaus bedeutendere Aspekt: Im Gegensatz zur Raufaser besitzen Silikatfarben einen hohen pH-Wert, den der Schimmel nicht leiden kann. Zusammen mit der Möbel-Umräum-Aktion soll so gewährleistet werden, dass es zum hoffentlich letzten Mal zu Pilzbefall in dieser Ecke kam. Ich drücke mir selbst die Daumen…
1 Kommentar
Wahnsinn. Erstmal möchte ich deine Schreibweise (neid) und Geduld loben. Der Pilz müßte eigentlich so nicht mehr auftauchen. Es seidem: „die Decke“. Aber da drücke ich dir die gelernte Maler und Lackierer Daumen, dass es nicht so bei dem Spiel ‚The Last of Us‘ wird!