Von Verlust und Vorsätzen
Seit Tagen habe ich das Bedürfnis, ein paar Zeilen zu schreiben. Jetzt ist es zwei Uhr nachts, ich bin in meiner Heimat und es regnet. Was? Regen, hier? Ja, ich gebe es zu: Es regnet in der Pfalz.
Ein Anruf – so unwiderruflich
Ich bin bereits das zweite Wochenende in Folge hier unten im Süden. Lange her, dass ich Köln so kurz nacheinander verlassen habe. Der Anlass war allerdings kein schöner. Einen Tag vor Rosenmontag erhielt ich einen Anruf, in dem man mir mitteilte, meine Oma sei gestorben.
Das war am 7. Februar. Vor etwas mehr als einem Jahr – am 7. Januar – starb meine andere Oma an Krebs. Sie wurde nur 74 Jahre alt. Die Krankheit kam plötzlich und verlief unglaublich schnell. Es war ein Schock, der bis heute anhält. Diesen Verlust habe ich längst noch nicht verstanden und realisiert. Zwar haben wir Weihnachten das erste Mal ohne sie verbracht und sie ist nicht mehr da, wenn ich zu meinen Verwandten fahre. Und doch ist es so unwirklich.
Ein Anruf – so unendlich wertvoll
Jetzt also der zweite Schlag. Und doch war es anders. Meine zweite Oma wurde 87 Jahre alt und ist – soweit das möglich ist – friedlich in ihrem Zimmer eingeschlafen. Zwei Tage zuvor hatte ich noch mit ihr telefoniert, ihr von Karneval und den Umzügen erzählt und davon, dass ich in einer Woche in die Pfalz komme und sie besuche. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie dankbar ich bin, sie an diesem Abend angerufen zu haben.
Jetzt habe ich also innerhalb eines Jahres meine beiden Omas verloren. Eine starb viel zu früh an einer schlimmen Krankheit, eine war bereit und wahrscheinlich sogar glücklich zu gehen. Der Verlust schmerzt gleichermaßen.
Das ist jetzt eine Woche her. Seit das passiert ist, war ich kaum einen Moment allein, sondern immer bei Familie oder Freunden. Gerade ist der erste Augenblick, in dem ich still bewusst alleine dasitze und diese Zeilen schreibe. Einerseits mag man denken: Hey, das ist eine absolut persönliche Angelegenheit, das geht niemanden da draußen was an. Ich aber weiß: Das ist meine Art, mit Dingen umzugehen. Ich schreibe sie mir von der Seele.
Was meine – und wahrscheinlich alle – Omas so besonders macht, ist ihre bedingungslose Liebe. Egal welches Hobby ich bestritt, welche Ausbildung ich machte, welchen Weg ich einschlug: Sie liebten mich. Unabhängig von Erfolg oder Misserfolg, sie hatten stets nur ein offenes Ohr und eine warme Umarmung für mich. Für jede einzelne bin ich unendlich dankbar.
Jetzt frage ich mich: Wie gehe ich mit der Trauer und dem Verlust um? Dass diese Personen voller Zuneigung und Unterstützung für mich nicht mehr hier sind? Eine Antwort darauf habe ich noch nicht gefunden. Aber ein Anfang für mich soll ein Vorsatz sein. Ich möchte einige ihrer Gewohnheiten fortführen und sie so ein Stück in mir weiterleben lassen.
Ich werde den Menschen zu viel und zu oft Essen auf den Teller schöpfen.
Ich werde stets Roger Federer für eine Beziehung und Rafael Nadal für eine Affäre vorziehen.
Ich werde den Kindern in meiner Verwandtschaft Schokolade mitbringen – sowohl die, die sie mögen, als auch andere.
Ich werde mir ein und dieselbe Hose unabhängig voneinander doppelt kaufen.
Ich werde das Besteck einer Person zum Servieren entführen und es nicht mehr zurückbringen.
Ich werde das gute Andre Agassi und das schlechte Boris Becker Buch anfangen. Aber ich plane auch, sie fertig zu lesen.
Ich werde Kindern in meiner Verwandtschaft einmal Care-Pakete schicken, sobald sie alleine wohnen.
Ich werde meinen Kindern und Enkeln bei ihren Sportturnieren zusehen und sie lauthals und stolz anfeuern – möge es auch Curling, Biathlon oder Handball sein (bitte nicht Biathlon, bitte überhaupt nichts Kaltes).
Ich werde ihnen mal nebenbei Geld zustecken, damit sie sich ein Spiel oder Klamotten zulegen können.
Ich werde ihnen auch noch Ostergeschenke verstecken, wenn sie viel zu groß dafür sind, es sich aber noch wünschen (man ist nie zu alt dafür).
Ich werde ihren Hund hüten, wenn sie im Urlaub sind.
Und vielleicht werde ich ihnen sagen, dass sie dick geworden sind. Obwohl das eigentlich doch nie recht wahr war…
Vielen Dank für eure Liebe. Und Familie und Freunden vielen Dank für euren Halt.
5 Kommentare
Liebe Kate
Großeltern zu verlieren ist sehr hart, sie wahrscheinlich das erste echte Beziehung in unserem Leben gibt, die so bedingungslos sind. Ich komme aus andere kultur und laender, aber kenne ich die Großeltern immer gleich mit einen goldenes Herz.
mein Beileid.
Seien Sie stolz auf die Tatsache, dass wir Glück hatten um unsere Großeltern zu haben, wie wir wachsen Erwachsenen. Mehr als das, für die Tatsache freuen, dass ihre Güte macht uns gut sein wollen. Die Welt braucht mehr Güte und Liebe.
Vielen Dank für Ihre lieben Worte! Und natürlich auch fürs Besuchen meines Blogs 🙂
wunderschöner, emotionaler Post! dir ist eine fantastische Gradwanderung zwischen abrundtiefdunkeltraurig und da-muss-man-einfach-lächeln-sympathisch gelungen -chapeau!
xx Vic von simpletwentysomething.com
Vielen lieben Dank Vic fürs Lesen und das tolle Lob!
[…] arbeitsfreien Tage, um mich aufs Wesentliche zu besinnen. Und einfach mal nur dazusitzen und an meine Großmütter und Susi zu denken. Jeder von uns braucht diese Auszeiten – ich hoffe, auch ihr könnt in den […]